Mieser Morgen für Manfred
[Vergebung]

Einsatz:
United Kingdom Gottesdienst
23.10.05
Thema:
Vergebung
copyright:  
United-Kingdom CreativTeam; besondere Verdienste Silke für die Textarbeiten und Jochen für den AudioMix

Erklärung:
Geistliches Thema ist Vergebung in beide Richtungen:

  • 1. Vergebung, die der Mensch von Gott bekommt, weil er Sünder ist und Buße tut, und
  • 2. Vergebung, die wir von anderen Menschen empfangen.

Bei Schuld am Mitmenschen sind eben beide Komponenten unverzichtbar.

Umsetzung im Anspiel:
Ganz nach Art der alten Detektivfilme (Sam Marlowe ) spricht ein Erzähler aus dem Off, untermalt von Jazz-Musik aus der Ich-Perspektive. Der Bühnenvortrag ist pantomimisch. (dann muss man keinen Text auswendig lernen).
In der ersten Hälfte hört man die innere Stimme von Manfred, der einen schlechten Tag hat, schuldig wird und bei Gott Vergebung erfährt. Dann wird dieselbe Geschichte aus der Sicht von Klaus erzählt (während vor den Augen der Zuschauer dieselbe Geschichte nochmals abläuft), und es wird klar, dass wir Christen im Übereifer die Schuld am Nächsten oft unter den Tisch fallen lassen.
Mitwirkende:

  • Klaus - vermöbelt und unschuldiges Opfer, kein Christ, gespielt von Michael
  • Klaus Stimme - euphorisch vom Band, gesprochen von Jochen (das reimt sich)
  • Manfred - ein Christ mit schlechten Angewohnheiten

Download des Audiofiles :
Den Audiomix gibt´s zum Nachspielen hier als Download
MieserMorgenManfred.mp3 (5417kB / 11:30) > rechter Mausklick: Ziel speichern unter
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Manfreds Morgen

Manfred schläft auf der Bühne, auf einem Stuhl eingenickt, während die CD startet.
Stimme aus dem Off.

Es war ein schlechter Morgen.
 Ich lag gerade in den Armen einer langbeinigen Blondine, nippte an meiner Caipirina, schaute von meiner Yacht aus aufs Meer und blinzelte in die Sonne, die bald vollständig im Ozean versinken würde, als mich plötzlich das laute Schrillen des Weckers unsanft in die Realität versetzte.

Manfred schrickt auf und spielt jetzt pantomimisch, was die Stimme erzählt

Montag Morgen, 6 Uhr, Zeit zum aufstehen. Zum Kotzen sowas, sag ich euch. Man träumt schön, wird dann jäh in den grauen Alltag befördert und merkt, dass man auch noch einen dicken Kopf hat, weil’s am Abend davor ein paar Bierchen mehr waren.

Also gut, denk ich mir, steh ich halt auf, koch mir n Kaffee. Bin ich in die Küche, hol die Kaffeedose aus dem Schrank, schraub sie auf und sehe: Kein Kaffee drin. Na super. Dann geh ich halt ohne Frühstück aus dem Haus, denk ich mir. Kauf ich mir halt beim Bäcker um die Ecke ´n Käffchen. Also geh ich aus´m Haus, schliess die Tür hinter mir zu, raus in die Kälte.
Beim Bäcker war dann schon mächtig viel los, aber für ein warmes Getränk am Morgen kann man dann ja schon mal kurz anstehen, oder? Ich bin dann also an der Reihe, krieg mein Käffchen, und will meinen Geldbeutel aus der Tasche ziehen.
Doch da ist kein Geldbeutel. Ich klopf so die anderen Taschen ab, nirgends mein Geldbeutel. Noch nicht mal ein paar Münzen! Super, so kann man auch sein Leben verbringen.
Steht man 10 Minuten in der Schlange bis man endlich dran kommt und dann hat man keine Knete. Wirklich zum Kotzen, sag ich euch.

Also gut, geh ich zur Bahn, natürlich ohne meine Monatskarte, denn die ist ja im Geldbeutel. Fahr ich halt schwarz, denn zum Nachhausegehen reicht’s nicht mehr.
Egal, denk ich mir, denn dort vorne beim Gebrauchtwarenhändler steht mein Traumauto. Ein fett getunter Polo, 150 PS. So was Kleineres fürn Anfang. In einem Monat, da reicht dann mein Geld und ich kauf ihn mir endlich. Da muss ich dann nicht mehr schwarz fahren und die Frauen laufen mir in noch grösseren Scharen hinterher, als sie’s jetzt schon tun, denk ich so vor mich hin. Und wisst ihr, was dann war?
Mein Polo steht zwar noch da, so wie jeden Tag, an der Windschutzscheibe klebt aber ein fetter Aufkleber: Verkauft. Hey, ich wär fast ausgerastet.
Da hab ich mir gedacht: Jungejunge, heut darf aber wirklich nichts mehr kommen, sonst schlag ich noch irgendeinem die Fresse ein.
Ihr kennt das ja.

Gut, bin ich an der Haltestelle und wart so auf die Bahn, treff ich meinen Kumpel Klaus.
 „Mogn“, sag ich.
„Guten Morgen!!!!“, strahlt er mich an.
„Toller Tag heute, was? Weißt Du’s schon? Ich hab mir ein Auto gekauft!!! Der Wahnsinnsflitzer!! Wir müssen unbedingt heute Nachmittag ne Probefahrt machen, prüfen ob auch alles in Ordnung ist! Weißt du, vom Gebrauchtwagenhändler da vorne, dieser 150 PS Polo, den keiner wollte!“
Und seine Augen funkeln mich an und der ganze Typ läuft vor Glück fast über. Leute, ich sag’s euch, ich konnte nix dafür, aber ich seh so dieses Grinsegesicht, und mir kommt die Galle hoch.
Dieser Loser hat MEIN AUTO?!?!?!?!?.
Und dann, ja, dann hab ich ihm voll die Fresse poliert.
Ich konnte nicht anders, und schliesslich hat er’s verdient. Ist doch total unverschämt, steht so quasi kurz nach Mitternacht quietschfidel rum und wagt es dann noch, mir mein Auto vor der Nase wegzukaufen.
Nenee, dem hab ich gezeigt wo’s lang geht.
Der Schlag saß aber auch wie ne Eins, Klitschko hätt’s nicht besser hingekriegt. Muss wohl mächtig weh getan haben, so wie er sein Gesicht verzogen hat. Ja, Leute, und dann war da kein Grinsen mehr!! Mann, das hat mir richtig gut getan, ich sag’s euch. Hab mächtig Dampf abgelassen und mein Scheißmorgen war vergessen. Hat echt was Befreiendes, wenn man sich abreagieren kann.

Und der Klaus?
Stand da und rieb sich seine blutende Nase.
Dann gingen ihm die Taschentücher aus und er fragte MICH, ob ich ihm nicht eins hätte.
Und, Leute, ich gab ihm ein Taschentuch. Ich bin schliesslich ein Mann mit Seele!
Ja, und dann...dann tat mir der Klaus auf einmal fett leid.
Durchgeblutete Taschentücher, Blut auf seiner Jacke...
Mann, das hatte wirklich ICH alles verbrochen.
Hört mir zu: Man kann ja mal schlechte Laune haben, aber man lässt sie nicht einfach an Leuten aus, die nichts dafür können, klar?
Mein Morgen war eh schon schlecht, aber diese Aktion hat alles nur noch schlimmer gemacht.
Ehrlich. Und da wurde mir auf einmal klar: Manfred, du hast absolute Scheiße gebaut. Was sagt da der Chef dazu. Und, ich hab’s euch schon gesagt, ich bin ein Mann mit Seele, und meine Seele, die gehört Gott. Versteht ihr, nicht irgendjemandem, sondern Gott, dem Schöpfer des Universums.
Und glaubt mir, der findet solche Aktionen überhaupt nicht sinnvoll. Also, was mach ich?

Ich seh die Bahn kommen, und denk nur noch: Entweder jetzt oder nie.
Also geb ich mir n Ruck, atme tief ein, und renn los.
Setze zum Sprung an, kurz bevor die Bahn an mir vorbeifährt.
Ich mach einen Riesensatz, dann spür ich den Aufprall.
Vor Schmerz kann ich kaum mehr denken, aber ich bin ein Mann, ich kenne meine Mission.
Also sag ich schnell:
„Hi Chef, ich bin’s, ich mach gerade extra für dich diesen Kniefall mit Anlauf, denn ich hab Scheiße gebaut, bitte vergib mir. Amen.“
Dann steh ich langsam auf, reibe mir die Knie und bin die Ruhe und gute Laune selbst.
Echt. Erleichtert steig ich in die Bahn, und geselle mich zu Klaus.
Und bin der glücklichste Mensch auf Gottes Erdboden.
 Ich hab Scheiße gebaut, und Gott vergibt mir.
So läuft das mit dem Chef.
Ich kann ihn nur weiterempfehlen.

Nur mit dem Klaus, da stimmt was nicht.
Der ist seitdem irgendwie seltsam.
Sieht nicht gerade glücklich aus, obwohl er doch den Polo hat –
ich hab schon wieder was neues im Visier, ´n Monster-Minicooper mit 200 PS, tiefer gelegt, versteht sich von selbst- und zu ner Spritztour hat er mich auch nicht eingeladen.
Kommt nicht mal mehr auf ein Bierchen vorbei....
Woran das liegt? Absolut keine Ahnung...

Klaus´ Polo und ne Menge Tempos

Es war ein genialer Morgen.
Endlich klingelte der Wecker und ich konnte aufstehen.
Heute war mein Tag!
Und das Wetter war auch gut, zwar kalt, aber strahlender Sonnenschein!
Noch ein paar Stunden, und ich würde mein erstes Auto abholen können.
Hab hart für meine Unabhängigkeit gearbeitet, und der Polo, ähäm also MEIN Polo, der stand schon längere Zeit beim Händler.
Den wollte wohl niemand.
Komisch eigentlich.
Ich find ihn jedenfalls super, er hat 150 PS.
 Ist vielleicht n bisschen viel, aber immer noch besser als zu wenig.

Den ganzen Weg zur Bahn konnte ich an nichts anderes mehr denken, und ständig musste ich vor mich hingrinsen. Die Leute dachten bestimmt, ich sei nicht ganz richtig im Kopf.
Ich war mir fast selbst schon ein bisschen unheimlich.
Aber das war mir egal, schliesslich hab ich einen richtig guten Kumpel, den Manfred, der schert sich nicht drum was die Leute sagen.
Für den ist ein Freund noch ein Freund.
In Gedanken war ich schon auf unserer ersten Ralley, ich als Fahrer, Klaus als Copilot. „300 m, Schotter, links) tierisch schwierige Strecke, alle internationalen Topfahrer dabei und wer fährt gleich im ersten Rennen den Sieg ein?
Manfred und ich!!! Wisst ihr, der Manfred, mit dem kann man Pferde stehlen.

Ich treff ihn also dann an der Haltestelle und seh in ein Gesicht wie 3 Tage Regenwetter.
Da dachte ich mir: „Hey, den munter ich bin bisschen auf“ und fang an, von dem Polo zu erzählen.
Und ich weiß gar nicht, wie’s weiterging, es ging alles so rasend schnell, auf einmal tut mir die Nase abartig weh, ich fass hin, hab Blut an den Händen und auf meiner Jacke.
Ich nehm mir ein Taschentuch und versuche zu verstehen, was passiert ist.
Manfred guckt mir triumphierend in die Augen, dann such ich nach nem neuen Taschentuch.
Ich find keins, deswegen frag ich den Manfred, ob er nicht eins hätte.
Und da guckte er dann auf einmal ganz mitleidig und schuldbewusst, es sah sogar fast so aus, als ob er Tränen in den Augen gehabt hätte.

 Da erst hab ich’s kapiert:
Dem Manfred ist gerade die Hand ausgerutscht.
Das hat mir echt weh getan, ich weiß ja, dass es der Manfred nicht immer leicht hatte und dass dort, wo er herkommt, Probleme mit Fäusten gelöst wurden und nicht mit Worten, aber dass es auch MICH trifft?
Aber das Allerschlimmste war, dass ihm das Wort „Entschuldigung“ nicht über die Lippen kam.
Ich hab ihm angesehen, dass er am liebsten alles rückgängig gemacht hätte, aber es kam kein Wort, nicht mal der Versuch einer Entschuldigung.
Was macht er stattdessen?
Rennt wie ein Verrückter los und springt auf die Knie.
Hat bestimmt höllisch weh getan. Und dann betet er mitten in der Menschenmenge laut zu seinem Gott und bittet ihn um Vergebung.
Ist ja in Ordnung, er hat mir ja auch mal versucht zu erklären, wie das mit seinem Gott funktioniert.
Aber danach, da kam nichts mehr.
Stattdessen ist er gut drauf und genießt sein Leben.
Wisst ihr, eigentlich hätte ich von ihm eine richtig FETTE Entschuldigung erwartet.
Und eine Erklärung! Ich würd’s ihm ja nicht schwer machen, ganz im Gegenteil, so n Kumpel wie den Manfred, den findet man nicht an jeder Ecke!.
Ich nehm’s ihm eigentlich schon gar nicht mehr krumm, wenn er sich nur endlich mal entschuldigen würde!
Aber so sind sie dann wohl, die Christen: Gott über alles, aber von zwischenmenschlichem Verhalten nicht die leiseste Ahnung.
Sind wirklich ein komisches Völkchen, diese Christen....