Jesu, deine Passion    
will ich jetzt bedenken

Warum soll man sich mit einem Lied befassen das 350 Jahre alt ist?
Was kann einem das bringen?
Die Melodie ist nicht State of the Art!
Das Deutsch ist ziemlich veraltet!

Und die Message? Heute sind wir doch wissenschaftlich viel weiter!

Ich denke, wenn man solche Lieder auspackt (egal ob man drauf steht oder nicht) öffnet man eine Schatztruhe christlichen Lebens.
Wer weiß, vielleicht waren die Menschen damals nicht so abgelenkt durch die Medienflut.
Vielleicht hatten Sie einen direkteren Zugang zum Glauben.
Vielleicht hatten Sie mehr Zeit sich mit dem Glauben zu beschäftigen...
Vielleicht haben Sie uns ja noch heute etwas zu sagen...
Machen wir mal einen Versuch
 

Sigmund von Birken

Sigmund von Birken hat diesen Liedtext im Jahr 1663, vor 350 Jahren, geschrieben.
Der 30 jährige Krieg ist seit 15 Jahren vorbei, viele deutsche Länder sind zerstört und verarmt.
Seine eigene protestantische Familie musste wegen Ihres Glaubens aus Böhmen fliehen und hat in Nürnberg ein neues Zuhause gefunden. Obwohl er Sohn des Ortspfarrers war hat er keine theologische Laufbahn eingeschlagen, hat sein Jurastudium abgebrochen, ein Buch über Schäferei geschrieben, wurde Erzieher und Lehrer, wurde gefeuert und wanderte dann mehrere Jahre durch Deutschland und begann dann Gedichte zu schreiben, Historiendramen aber auch Andachtslieder.
Was kann uns so ein Mensch aus einer anderen Zeit, unter völlig anderen Lebensumständen, ein Mensch ohne theologische Ausbildung heute, 350 Jahre später, noch Relevantes sagen?
Ich finde es gerade eine Bestätigung des christlichen Glaubens, dass Menschen aller Zeiten, aller Bildung, in unterschiedlichsten Lebensumständen die gleichen Erfahrungen mit diesem lebendigen Gott machen. Deshalb lohnt es sich hinzuhören, wie Sigmund von Birken die Passion Christi betrachtet.
Es geht bei diesem Lied nicht so sehr um die Betrachtung des Leidens Jesu.
Es geht nicht um die alttestamentlichen Erfüllungen und warum all dies geschehen musste.
Es geht auch nicht um einen Entlangschreiten der Via Dolorosa , wo wir Schritt für Schritt Jesus bis ans Kreuz begleiten.
Es ist kein Nachempfinden der Schmähungen und Schläge, Folter und Schmerzen.
Sondern es geht darum, was uns die Betrachtung der Passion bringt.
Wie es uns verwandelt.
Was wir erwarten dürfen.
Warum betrachten wir Jesus?

Strophe 1: Jesu Deine Passion ...

     1.  Jesu, deine Passion   
will ich jetzt bedenken;   
wollest mir vom Himmelsthron   
Geist und Andacht schenken.   
In dem Bilde jetzt erschein,   
Jesu, meinem Herzen,   
wie du, unser Heil zu sein,   
littest alle Schmerzen.

Wenn wir diese Strophe singen, dann werden wir zu Betern.
Wir wenden uns direkt an Jesus, sprechen mit ihm.
Wir nehmen uns Zeit für ihn um nachzudenken, was es mit seiner Passion auf sich hat. 
Aber unser ganzes Grübeln und still sein führt zu nichts wenn Jesus uns nicht Geist und Andacht schenkt.
Es ist wie beim Telefonieren. Wenn der andere nicht abhebt, dann können wir endlos in den tutenden Hörer sprechen. Dann kommt keine Verbindung zustande.
Bei der Andacht sitzt das Problem aber auf unserer Seite der Leitung.
Wir sind abgelenkt, unverständig, egozentrisch (es geht ja nur um uns und unsere Bedürfnisse ). Deshalb bitte wir Gott dass er uns Geist und Andacht schenkt...

Was bedeutet „Andacht“:
Ich suche die Stille, die Auszeit, ich suche Gottes Wort und Offenbarung.
Warum braucht es den „Geist Gottes“? Nur er schenkt uns das tiefe Verstehen, was damals geschah.
Beides Andacht & Geist Gottes ist etwas was Gott uns schenken muss, damit es eine fruchtbare Stunde wird. Es braucht kein Studium der Theologie damit unser Herz das verstehen kann, nur dieses Geschenk um das wir bitte dürfen „Zeit der Andacht und den Geist Gottes“ … und Gott schenkt es gerne.
 

    In dem Bilde jetzt erschein, 
    Jesu, meinem Herzen, 
    wie du, unser Heil zu sein, 
    littest alle Schmerzen.


Wenn Jesus uns erscheint, so wie er wirklich ist, dann als Schmerzensmann.
So erst zeigt sich das Heil für uns. So erst wird die Bedeutung seines Kommens offenbar.
Wenn wir Jesus nahekommen wollen, wenn wir Gott erkennen wollen, dann müssen wir dorthin sehen wo wir sonst wegsehen, weil es so sehr schmerzt.
Im Leiden Jesu …

Strophe 2:
Meine Seele sehen mach...

                 2.  Meine Seele sehen mach   
deine Angst und Bande,   
deine Schläge, deine Schmach,   
deine Kreuzesschande,   
deine Geißel, Dornenkron,   
Speer und Nägelwunden,   
deinen Tod, o Gottessohn,   
der mich dir verbunden.

Was sieht man mit den Augen, wenn man an Kreuz schaut?
Angst, Schläge, Schmach, Geißel, Kreuz und Tod?
Das will eigentlich kein Mensch sehen.
Das ist abstoßend.
Ich erinnere mich an den Film „Passion Christ“: Die dargestellten Folterszenen waren fast unerträglich.
Das sehen unsere Augen, und ich verstehe wenn Menschen sich da abwenden.
Wir nehmen das ja bereits kaum mehr wahr.
In einem Juwelierprospekt habe ich mal einen Anhänger gesehen für eine Kette.
Einen Gekreuzigten am Kreuz hängend aus Silber:
Daneben stand: „Schmuckes Anhängerchen-Kruzifix“.
Diese Folter ist bereits ein Schmuckstück geworden. Aber in dem Lied singen wir nicht davon die Kreuzigung mal mit EIGENEN AUGEN zu sehen, sondern wir bitten in einem Gebet die Passion mit EIGENER SEELE zu sehen.
Meine Seele sehen mach…
Wir bitten um das tiefe Verstehen was sich da vor unseren Augen abspielt.
Auch das muss Gott schenken. Da nützt kein überragender Intellekt, das geht nicht aus eigener Kraft. Aber hat Jesus nicht versprochen

    Lk 11,9 Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.

Und das ist der einzige Zugang wie es uns zur Rettung wird: durch seinen Geist.
Was erwartet und am Ende dieser Betrachtung? „…deinen Tod, o Gottessohn, 
der mich dir verbunden“
Die Verbindung zu Gott kann durch diesen Tod wieder hergestellt werden.
Der alte Bruch, der tiefe Sund der uns von Gott trennt, die Sünde kann überbrückt werden.
Die Verbindung wieder hergestellt …
Leben wieder ermöglicht werden.

Strophe 3: Die Frucht verstehen...

    3.  Aber laß mich nicht allein   
deine Marter sehen,   
laß mich auch die Ursach fein   
und die Frucht verstehen.   
Ach die Ursach war auch ich,   
ich und meine Sünde:   
diese hat gemartert dich,   
daß ich Gnade finde.

Gerade noch haben wir erkannt das in der Betrachtung seines Leidens nicht das Heil liegt. Nicht im SEHEN ! Deshalb bitten wir in dem Lied/Gebet:
Aber laß mich nicht allein deine Marter sehen, laß mich auch die Ursach fein und die Frucht verstehen.

    Markus 15
    29 Und die vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen: Ha, der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen,
    30 hilf dir nun selber und steig herab vom Kreuz!
    31 Desgleichen verspotteten ihn auch die Hohenpriester untereinander samt den Schriftgelehrten und sprachen: Er hat andern geholfen und kann sich selber nicht helfen.

Wie viele habe es leibhaftig gesehen:
Die Folter, das Leiden … und hatten nur Hohn und Spott.
Das lebendigste Bild, die blutigste Vorstellung des Geschehens, die größte Betroffenheit bringt uns Ihm nicht näher.
Es ist dieses große Geschenk des VERSTEHENS warum das geschehen ist.
„Lass mich die Ursach fein und die Frucht verstehen!“

Was für eine Frucht können wir verstehen, wenn wie die Passion Christi betrachten?
Paulus schreibt im Römerbrief:

    Römer 6
    20 Denn als ihr Knechte der Sünde wart, da wart ihr frei von der Gerechtigkeit.
    21 Was hattet ihr nun damals für Frucht? Solche, deren ihr euch jetzt schämt; denn das Ende derselben ist der Tod.

Von dieser Frucht ist die Rede. Ein Leben ohne Gott, ein Leben in Sünde trägt Frucht. Bittere Frucht.
Das Ende ist der Tod!
Aber dieser Jesus hat doch nichts begangen, war doch ohne Fehler.
Er hatte doch eine vertraute enge Beziehung zu seinem Vater im Himmel.
Warum musste er dann diesen grausamen Tod erleiden?
Und wir singen weiter:
Ach die Ursach war auch ich, ich und meine Sünde: diese hat gemartert dich, dass ich Gnade finde.
Es war nicht die Frucht seines Lebens die den Tod gebracht hat, sondern meine, unsere.
Unsere Sünde, die Frucht unseres Lebens martert Jesus.
Das spielt sich vor unseren Augen ab, wenn wir die Passion betrachten.
Da sind wir nicht mehr Betrachter, sondern Verursacher.
Das ist der Unterschied zwischen „an einem Unfall vorbeifahren“ und „einen Unfall gerade selbst verursacht haben“
Und all das geschah „… dass ich Gnade finde!“
Die Strophe zeigt wie diese Wahrheit unser Herz erreicht:


  • SEHEN der Marter …

  • VERSTEHEN was die Ursache war … und

  • ERKENNEN das ich und meine Sünde beteiligt sind

Strophe 4: ...mit Buß und Reue ..

    4.  Jesu, lehr bedenken mich 
dies mit Buß und Reue;   
hilf, daß ich mit Sünde dich   
martre nicht aufs neue.   
Sollt ich dazu haben Lust   
und nicht wollen meiden,   
was du selber büßen mußt   
mit so großem Leiden?

In Strophe 4 bitten wir darum die Passion mit Buß und Reue zu bedenken.
Was ist Reue:
Wikipedia sagt es sei das nachhaltige Bedauern der eigenen Schuld wegen einer Tat die man im Nachhinein als verwerflich beurteilt.
Es waren ja meine Sünden deren Auswirkungen ich nun betrachte.
Was ist Buße :
Die Umkehr eines Menschen zu Gott, von dem er sich durch die Sünde entfernt hat.
Das ist das Ziel unserer Betrachtungen: Erkennen und Bedauern welchen Holzweg wir beschritten haben und wir sollen zurückkehren zu Gott unserem Vater.
Werden wir dann aufs Neue sündigen?
Die Bibel ist ganz ehrlich: Leider ja, immer wieder.
Haben wir Lust aufs sündigen?
Eigentlich wollen wir das nicht mehr tun.
Eigentlich wollen wir das meiden.
Sollt ich dazu haben Lust und nicht wollen meiden?,
Wir wissen ja welche Auswirkungen es hatte.
Hier wird ein Blick nach vorne geworfen:
Die Betrachtung der Passion verändert uns und bestärkt uns zu Gott zurückzukehren

Strophe 5:
machen heiß die Hölle ...

                   5.  Wenn mir meine Sünde will   
machen heiß die Hölle,   
Jesu, mein Gewissen still,   
dich ins Mittel stelle.   
Dich und deine Passion   
laß mich gläubig fassen;   
liebet mich sein lieber Sohn,   
wie kann Gott mich hassen?

Aber wie kriegen wir das hin?
Ein Leben in dem wir die Sünde meiden?
Wir werden immer wieder versagen?
Wir werden immer wieder scheitern!
Dann steht er da der Ankläger, und macht mir die Hölle heiß!
Dann werde ich verklagt!

    Du willst Christ sein?
    Der Du immer wieder sündigst?
    Glaubst Du Gott vergibt Dir schon wieder?
    Glaubst Du nicht, dass seine Gnade irgendwann mal ein Ende hat?
    Was sitzt Du schon wieder in der Kirche, das glaubt Dir doch eh keiner.
    Stehst hier und predigst fromm …

Dann soll sich Jesus ins Mittel stellen.
Dann soll Jesus im Mittelpunkt stehen.
Er und seine Passion.
Jesus soll im Zentrum unseres Leben stehen.
Er ist stärker als das schlechte Gewissen.
Dann wissen wir: Ich bin erlöst.
Das verändert alles.. radikal.

    Römer 8
    38 Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,
    39 weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.


Sigmund von Birken fasst das wunderschön zusammen: Liebet mich sein lieber Sohn, wie kann Gott mich hassen?

Das ist eine Wahrheit, die wir fassen müssen.
Die wir in unserem Leben festhalten müssen.
Eine Wahrheit die sichtbar wird, wenn wir die Passion betrachten.

Strophe 6: Das Kreuz nachtragen

      6.  Gib auch, Jesu, daß ich gern   
dir das Kreuz nachtrage,   
daß ich Demut von dir lern   
und Geduld in Plage,   
daß ich dir geb Lieb um Lieb.   
Indes laß dies Lallen   
–_bessern Dank ich dorten geb_–,   
Jesu, dir gefallen.

Was ändert das in unserem Leben.
Was verändert sich durch die Betrachtung der Passion?
Jesus das Kreuz nachtragen, wer will das schon?
Wer will diesen Schrecken am eigenen Leib erfahren?
Und wer wollte das GERNE tun?
Aber wir können etwas für unser Leben übernehmen.
Darum bitten wir in diesem Gebet.
Die Bereitschaft zu Dienen, den eigenen Vorteil zurückzustellen.
Anderen Menschen zu leben.
Mit einem alten unzeitgemäßen Wort: DEMUT  ... daß ich Demut von dir lern 
Wenn wir unter Druck sind, wenn alles auf uns einstürzt nicht den Kopf zu verlieren,
sondern fest darauf zu vertrauen, dass Gott das letzte Wort noch nicht gesprochen hat.
Mit einen zweiten unmodernen Wort: GEDULD. und Geduld in Plage
Das heißt das Kreuz nachtragen.


Aber Jesus erwartet keine zerknirschten Nachfolger, mit mürrischem Gesicht.
Keine freudlosen … daß ich dir geb Lieb um Lieb. 

Das ist die neue Basis unserer Beziehung zu Gott, zum Vater, zu Jesus.
Diese neue Beziehung die erst durch die Passion ermöglicht wurde.
Diese Basis ist eine ganz neue Qualität der Gottesbeziehung.


Und alles was wir heute dazu sagen, auch der schönste Lobpreis, die tollsten Liedverse sind doch nur Lallen, 
Alles was wir Gott geben können ist Gestammel, ist Stückwerk, ist unvollkommen.
Aber erfreut sich darüber wie der Vater sich freut, wenn sein kleines Kind zu ihm kommt. Jesus lässt sich das gefallen.
Und wir haben ein großartige Erwartung: Besseren Dank ich dorten geb.
Das ist unser Ziel.
Da werden wir uns sehen
Da werden wir ihn mit eigenen Augen sehen

Jesu, deine Passion    
will ich jetzt bedenken

Ralpf WagnerBack